„Neue Wege, Strategien, Geschäfts- und Kommunikationsmodelle für Biokunststoffe als Baustein einer Nachhaltigen Wirtschaft“ (BiNa)

Hintergrund

Ausgangssituation

Kunststoffe sind aus dem Alltag nicht mehr weg zu denken. Ein Einsatz dieser Werkstoffe erfolgt in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens, von der Verpackung für Lebensmittel über die Medizin- und Kommunikationstechnik bis zu technischen Anwendungen z.B. im Automobil. Auch die großen Leitthemen der Zukunft, wie beispielweise Leichtbau oder Elektromobilität sind ohne Kunststoffe nicht denkbar. Der weitaus größte Teil dieser Kunststoffe basiert auf fossilen Rohstoffen. Das Projekt BiNa erforscht einen Ansatz, im Rahmen der notwendigen Ressourcenwende die Möglichkeiten einer Substitution fossiler Ressourcen im Kunststoffbereich zu realisieren. Der Weg weg von fossilen Rohstoffen ist unter Klima- und Ressourcenaspekten wichtig, sollte aber mit Bedacht gegangen werden.

Was sind Biokunststoffe?

Zuerst einmal: bei den Biokunststoffen handelt es sich nicht um eine völlig neuartige, sondern um eine (wieder entdeckte) Werkstoffklasse innerhalb der vielfältigen Materialgruppe der Kunststoffe. Die ersten von Menschenhand synthetisierten polymeren Werkstoffe basierten allesamt auf abgewandelten Naturstoffen (z.B. Schellack, Celluloid, Cellophan, Linoleum oder Kautschuk), d.h. sie waren biobasiert, da zum damaligen Zeitpunkt noch keine petrochemischen Rohstoffe zur Verfügung standen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen (cellulose- und kautschukbasierte Werkstoffe) wurden diese ursprünglichen biobasierten Kunststoffe seit Mitte des letzten Jahrhunderts nahezu vollständig von den petrochemischen Werkstoffen verdrängt. Die noch am Markt erhältlichen Biokunststoffe dieser Art werden als "Old Economy Biokunststoffe" bezeichnet.
Inzwischen erfahren Biokunststoffe insbesondere aus ökologischen Gesichtspunkten und im Hinblick auf die Limitierung petrochemischer Ressourcen sowie zum Teil auch neuartigen Eigenschaftsprofilen eine Renaissance, verbunden mit einer zunehmenden Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, der Politik, der Industrie und insbesondere der Forschung und Entwicklung.

Bei den Begriffen "Biopolymer", "Biokunststoff", "biologischer abbaubarer Kunststoff", "Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen" u.a. kommt es allerdings häufig zu Mißverständnissen, da eine eindeutige Begriffsklärung und Standardisierung bis dato nicht vorliegt.
Unter dem Begriff Biokunststoffe existieren folgende Polymergruppen, vergleiche auch Abbildung "Definition der Biokunststoffe":

  1. abbaubare petrobasierte Polymere
  2. abbaubare (überwiegende) biobasierte Polymere
  3. nicht abbaubare biobasierte Polymere

 

Definition der Biokunststoffe (Quelle: H.-J. Endres, A. Siebert-Raths, Technische Biopolymere, Carl Hanser-Verlag, 2015)

Das bedeutet, dass Biokunststoffe - im momentanen Verständnis - nicht zwangsweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen müssen. Umgekehrt sind nicht alle auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Kunststoffe automatisch biologisch abbaubar. Auch sind die Rohstoffe, die zur Herstellung von Biokunststoffen eingesetzt werden, in den seltensten Fällen nach biologisch dynamischen Richtlinien (Ökolandbau) angebaut.
Weiterhin wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem Polymer als makromolekularem Grundstoff und dem gebrauchsfertigen Kunststoff, der durch den Zusatz verschiedener Additive und Hilfsstoffe für die Verarbeitung und den Gebrauch veredelt ist. Der Begriff Biopolymer ist zudem durch die natürlichen Polymere wie beispielsweise Cellulose besetzt, was zu zusätzlicher Verwirrung führt.
Ausgehend von der chemischen Struktur unterscheidet man die Biokunststoffe (unabhängig davon, ob diese abbaubar sind oder nicht) noch in die neuartigen und die Drop-In Werkstoffe, gemeinsam als "New Economy Biokunststoffe" bezeichnet. Während die biobasierten Drop-Ins, wie zum Beispiel Bio-Polyethylen (Bio-PE) oder Bio-Polyethylenterephthalat (Bio-PET), strukturgleich zu ihren konventionellen Pendants sind und ebenso eingesetzt werden können, besitzen die neuartigen Werkstoffe, wie Polymilchsäure (PLA) oder Polyhydroxyalkanoate (PHA), ganz eigene charakteristische Eigenschaftsprofile.

Biokunststoffe in der Diskussion

Zurzeit ist die Diskussionen zu den Biokunststoffen oftmals stärker emotional geprägt als wissenschaftlich fundiert, so dass in der Öffentlichkeit eine kontroverse Debatte über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Biokunststoffen entstanden ist. Diese scheint vor allem durch einen mangelnden Informationsfluss aus der Wissenschaft und eine unzureichende Kommunikationspolitik in Kombination mit rechtlichen Auseinandersetzungen einiger Konsumgüterkonzerne bei der Einführung von biobasierten (Verpackungs-)Produkten geprägt zu sein. Die Chancen und Herausforderungen der Substitution fossiler Kunststoffe durch biobasierte Kunststoffe sollen daher genauer betrachtet werden.

BiNa Wortkreis
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Forschungsfragen

Sind Biokunststoffe in Herstellung, Nutzung und am Ende ihres Lebensweges wirklich nachhaltiger als ihre fossilen Pendants und welche Problemstellungen ergeben sich z.B. bei der Nachhaltigkeitsbewertung? Welches ökologische Potenzial bietet die Kaskadennutzung? Wie ist der allgemeine Wissensstand zu Biokunststoffen und wie bewertet die Bevölkerung deren Einsatz ? Welche Informationsmittel sind wirksam, wenn es darum geht, das Thema verbrauchergerecht zu kommunizieren? Diese und weitere Fragen stehen im Fokus der Forschungsplattform BiNa.

Errichtung einer Forschungsplattform

Das Forschungsvorhaben liefert eine wissenschaftlich fundierte Betrachtung des Standes der Biokunststoffe in allen Themenfeldern, die das Nachhaltige Wirtschaften umfasst. Auf dieser Basis wird eine frei zugängliche Forschungsplattform errichtet. Dabei sollen die Diskussionen um Biowerkstoffe entemotionalisiert und eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage geschaffen werden.
Die Arbeiten werden in einem fachlich breit angelegten Konsortium durchgeführt und betrachten die Aspekte der ökologischen und sozio-ökonomischen Nachhaltigkeit von Biokunststoffen ebenso wie die Chancen und Herausforderungen, die bei der Kommunikation und Vermarktung dieser Werkstoffe auftreten. Im Rahmen der Forschungsplattform wird ein enger Austausch mit Industrie, Wissenschaft, Bevölkerung und Politik angestrebt, um den Informationsstand der unterschiedlichen Interessensgruppen bzgl. der Biokunststoffe zu verbessern. Die Vernetzung mit Unternehmen verschiedener Geschäftsfelder (z.B. Biokunststoffhersteller, Produzenten von Biokunststoffprodukten und Retailer) sichert die Überprüfung der entwickelten Strategien und Methoden auf Praxistauglichkeit.

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